Wer nach mehrjähriger Industrieerfahrung sein Wissen gerne weitergeben und gleichzeitig noch weiter aktiv in der Forschung sein möchte, der sollte sich überlegen dem Ruf einer Fachhochschule zu folgen. Der Professor an der Fachhochschule ist in erster Linie ein Hochschullehrer. Das heißt, die Lehre und die Ausbildung der Studierenden stehen im Vordergrund. Zusätzlich gibt es viel Freiraum und Gestaltungsmöglichkeiten für die Forschung. Hier bekommst du eine Übersicht über das Berufsbild eines Professors an einer Fachhohschule oder Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) aus erster Hand.
Inhalt
Die Lehre und die Ausbildung der Studenten* stehen für einen FH-Professor* an erster Stelle. Sie versuchen, die Studenten bestmöglich auf das Berufsleben in der Industrie vorzubereiten. Praktika haben eine besonders hohe Gewichtung bei Fachhochschulen. Es handelt sich hierbei um Lehreinheiten, die man durch praktische Übungen in technisch gut ausgestatteten Räumen oder Laboren vermittelt. In den Praktika üben Studenten also praktisch das, was der FH-Professor* in der Vorlesung theoretisch vermittelt hat.
Da die Studierendenzahlen eines Fachbereichs in Fachhochschulen häufig kleiner sind als in Universitäten, kennen viele FH-Professoren* ihre Studenten* persönlich. In den späteren Vertiefungsfächern sind die Gruppen meist noch kleiner. Zur Lehre kann auch eine Art Hausarbeit gehören, die in der ganzen Gruppe diskutiert und bewertet wird.
Zunehmend gibt es auch verschiedene Arten von Projekten, die man unter „Problem based learning“ zusammenfassen kann. Hierbei geht es in erster Linie um die Aufgabe und nicht um einen bestimmten Lösungsweg. Der FH-Professor* vermittelt den Studenten* hierbei, dass eine Aufgabenstellung mehrere richtige Lösungswege haben kann. Diese Art der Lehre bereitet besonders gut auf das spätere Arbeitsleben vor, denn in der Praxis weiß man die Lösung nicht vorher, sondern muss sie sich zunächst mittels verschiedener Ansätze erarbeiten.
Diese neuartigen Lehrformen sind zwar keine Erfindung der Fachhochschulen, sind aber bezeichnend für die Praxisnähe der Ausbildung der Studenten. Das können Projekte sein, die auch kompetitiv, also als eine Art Wettbewerb zwischen den Studenten* durchgeführt werden. Die Studenten* sollten ihr Wissen fächerübergreifend anwenden und miteinander verknüpfen können. Dadurch werden Soft Skills wie z. B. Teamfähigkeit, Präsentationsverhalten, Zeitmanagement erlernt, die in keinem klassischen Ausbildungsfach an Fachhochschulen Lehrinhalte sind. Wenn sie also Spaß an der Vermittlung von Wissen haben, stehen Ihnen als FH-Professor die verschiedensten Lehrformen zur Verfügung.
Weiterhin vermittelt ein FH-Professor* in den Vorlesungen aktuelle Ergebnisse aus der Wissenschaft. Die Studenten* sollen auf dem aktuellsten Stand sein, um später auch in der Forschung & Entwicklung eingesetzt werden zu können.
Durch die enge Zusammenarbeit mit den Studenten kann der FH-Professor besonders talentierte Studenten* erkennen, fördern und eventuell sogar zur Promotion führen. Die Studenten* arbeiten dann schon während ihrer Studienzeit als wissenschaftliche Hilfskräfte oder während ihrer Bachelor- und Masterarbeit an aktuellen Industrie- und Forschungsprojekten mit. Manche Master-Studenten* bekommen auch eine halbe Stelle als wissenschaftlicher Angestellter und können so frühzeitig Arbeitserfahrungen sammeln.
Neben der Grundfinanzierung von Fachhochschulen ist die Einwerbung von Drittmitteln eine wichtige Einnahmequelle. Durch diese Drittmitteleinwerbung finanziert sich ein FH-Professor* zum großen Teil die Forschung. Im Durchschnitt hat ein FH-Professor* 0,5 Mitarbeiter* – wenn er gut aufgestellt ist, kann der FH-Professor* sogar eine volle Position für einen Angestellten vergeben. Weitere Mitarbeiter* kann man über Drittmittelprojekte bezahlen. Da der FH-Professor* erst nach Bewilligung des Forschungsantrags Personal einstellen und bezahlen kann, schreibt er die Anträge meist selbst.
Während bei Universitäten die Forschung in sogenannten Instituten stattfindet, sind die Professoren* an Fachhochschulen meist auf verschiedene Lehrgebiete aufgeteilt. Die Lehrgebiete sind breiter aufgestellt als an Universitätsinstituten. So gibt es meist nicht das Lehrgebiet „Thermodynamik“ oder „Regelungstechnik“. Ein FH-Professor* ist manchmal für zwei oder auch drei Fächer zuständig. Daraus ergibt sich die Möglichkeit an der Schnittstelle verschiedener Themen zu forschen.
Ein weiterer Unterschied zwischen den Hochschulformen sind die Forschungsthemen. Universitäten erarbeiten eher sehr spezielles Wissen, welches sehr nah an der Grundlagenforschung liegt. Solche Projekte haben häufig eine Laufzeit von drei bis fünf Jahren und beschäftigen mehrere Mitarbeiter*. Bei den Fachhochschulen liegt dagegen die Anwendbarkeit im Vordergrund. Fragestellungen behandelt man daher praxisnäher. Nicht selten bauen die Forschungen, die an Fachhochschulen betrieben werden auf den Forschungsergebnissen der Universitäten auf und werden weiter entwickelt. Auch werden Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in Anwendungen eingebracht, um Innovationen voranzutreiben. So kommt es vor, dass ein Fraunhofer-Institut Grundlagen für die Anwendung einer Technologie erforscht und der FH-Professor* diese weiter entwickelt. Die Technologien können dadurch auch in der Industrie praktisch angewendet und umgesetzt werden.
Forschung an der Fachhochschule basiert oft auf Kooperationen mit kleineren Unternehmen. Dabei tritt der FH-Professor* in direkten Kontakt mit dem Firmenleiter*, der entscheidet, ob eine Zusammenarbeit zustande kommt oder nicht. Die Leitungsebene der Firmen sind oft graduierte Ingenieure* oder auch Nicht-Akademiker* wie z. B. Handwerksmeister*, die über die Jahre einen Betrieb aufgebaut haben. Hierbei kommt dem FH-Professor* seine Industrieerfahrung zugute, denn er weiß, wie es in einem Betrieb abläuft und kann mit dem Verantwortlichen auf Augenhöhe sprechen. Bei diesen Kooperationen wird häufig nicht von Forschung, sondern von Entwicklung und Optimierung gesprochen – hier zeigt sich, wie anwendungsnah die Forschung an Fachhochschulen ist.
Gesetzlich liegt das Promotionsrecht in Deutschland bei den Universitäten. An Fachhochschulen können Studenten nicht promovieren. Trotzdem ist es heutzutage nicht mehr ungewöhnlich, wenn ein FH-Absolvent promoviert und dabei an der Fachhochschule bleibt – die sogenannte „kooperative Promotion“ gewinnt zunehmend an Bedeutung. Der Promotionsstudent* führt die Forschungsarbeiten an der Fachhochschule durch und wird auch von einem FH-Professor* betreut. Die Prüfung der Doktorarbeit erfolgt dann am Ende an der Universität. Inwieweit der Universitätsprofessor* involviert ist und welche Voraussetzungen, wie z. B. zusätzliche Klausuren an der Universität, noch erfüllt werden müssen, wird meist individuell geregelt. Immer häufiger erfolgen kooperative Promotionen über Promotionskollegs, in denen ganz klar geregelt ist, unter welchen Bedingungen ein FH-Absolvent* über die jeweilige Universität promovieren kann. Die Promotion an der Fachhochschule wird den Studenten damit zunehmend erleichtert und macht Leistungsanforderungen transparenter.
Mit der kooperativen Promotion zeigen Fachhochschulen, dass sie die Kompetenz haben, um Doktoranden* auszubilden. Gleichzeitig bietet sie eigenen Absolventen* die Möglichkeit den höchsten akademischen Grad zu erlangen, ohne dabei an eine Universität wechseln zu müssen. Aus diesem Grund unterstützen die Fachhochschulen geeignete Kandidaten* für eine Promotion auch finanziell. Häufig haben sie dafür eigene Stipendienprogramme. Darin ist in erster Linie Gehalt für den Promotionsstudenten* aber auch Budget für Investitionen vorgesehen.
Um als FH-Professor* berufen werden zu können, muss ein Bewerber* einige Einstellungsvoraussetzungen erfüllen. Im Gegensatz zur Universität kann an einer Fachhochschule nur Professor* werden, wer mindestens fünf Jahre Berufserfahrung hat – davon drei Jahre in der Industrie. In seltenen Fällen und bei besonderer Eignung kann ein Kandidat* auch mit drei Jahren Berufserfahrung berufen werden. Zunächst muss ein Kandidat* nachweisen, dass er wissenschaftlich im jeweiligen Fachgebiet tätig war und in diesem Bereich up to date ist. Ein Kriterium hierfür ist veröffentlichte Publikationen in einschlägigen wissenschaftlichen Zeitschriften. Die Anzahl der Veröffentlichungen als Erstautor* und der Impact-Factor des Journals spielen auch eine Rolle. Viel wichtiger ist jedoch, was der Professoren-Anwärter* während seiner bisherigen Zeit in der Industrie wirklich gemacht hat und wie gut er sich in dem zukünftigen Lehrgebiet wirklich auskennt.
Die Abschlussnote eines einschlägigen wissenschaftlichen Studiums des Kandidaten* spielt auch nach mehrjähriger Berufserfahrung eine Rolle. Im Normalfall wird eine Promotion vorausgesetzt. Es gibt Ausnahmefälle, wie eine hinausragende Leistung, wie z. B. die Veröffentlichung eines anerkannten und viel gelesenen Fachbuchs. Dann ist eine Einstellung auch ohne Promotion möglich. Dies ist aber eher die Ausnahme.
Durch diese Regelungen soll sichergestellt werden, dass der FH-Professor* auch wirklich in der Lage ist, seine Studenten* auf die Industrie vorzubereiten. Eine Habilitation hat dabei keine Bedeutung. Wichtig bei der Beurteilung des Bewerbers* ist jedoch, ob dieser bereits Lehrerfahrung gesammelt hat. Das können Dozententätigkeiten auf Seminaren aber auch Lehraufträge an Hochschulen sein. Es gibt also auch schon vor einer Berufung die Möglichkeit, an einer Hochschule zu unterrichten. Da es keine didaktischen Prüfungen für Professoren* gibt, kann diese Lehrerfahrung ausschlaggebend für eine Einstellung sein.
Die Einstellung eines FH-Professors* wird durch das sogenannte Berufungsverfahren geregelt. Die Fachhochschule muss zunächst die Position öffentlich ausschreiben. Ein interessierter Kandidat* kann sich dann ganz klassisch bei der Fachhochschule bewerben. Eine Kommission, bestehend aus Professoren*, wissenschaftlichen Mitarbeitern* und Studenten*, trifft zunächst eine Vorauswahl an Kandidaten*. Studenten* haben bei der Berufung von FH-Professoren* also ein großes Mitspracherecht.
Geeignete Bewerber* werden dann eingeladen, einen oder mehrere öffentliche Vorträge zum Thema des zukünftigen Lehrgebiets zu halten.
Der Bewerber* muss durch den Vortrag zeigen, dass er auf dem jeweiligen Fachgebiet Experte* ist und den Praxisbezug aus der Industrie mitbringt. Wichtig hierbei ist nicht nur, dass der Kandidat* neue Erfindungen in der Forschung gemacht hat, sondern auch dass er bei Themen mitreden kann, die für die Industrie eine besondere Gewichtung haben.
Anschließend erfolgt ein persönliches Gespräch zwischen Bewerber* und Kommission. Zusätzlich gibt es je nach Fachhochschule noch weitere Schritte, wie z. B. das Einholen von Gutachten durch Externe, Probevorlesung oder Präsentationen der eigenen Forschungsergebnisse. Nach diesen Schritten erstellt man eine Berufungsliste mit den besten drei Bewerbern*. Je nach Bundesland entscheidet dann der zuständige Landesminister* oder die Hochschule selbst, welcher Bewerber* eine Professur angeboten bekommt.
Hat sich eine Fachhochschule für einen Kandidaten* zur Besetzung der offenen Professoren-Stelle entschieden, geht es in die Berufungsverhandlung. Der Professor* vereinbart die Bedingungen zur Besoldung und zur Einrichtung der Labore und Büroräume sowohl in materieller als auch personeller Hinsicht.
Der FH-Professor* wird in festgelegten Abständen evaluiert. Sind die vorgegebenen Kriterien der Evaluierung erfüllt, gibt es Zulagen in verschiedener Höhe. Mit der Zeit kann ein höheres Gehalt erarbeitet werden, das auch auf die Rente anrechenbar ist. Weitere Leistungszulagen werden hochschulintern geregelt. Der FH-Professor* kann z. B. durch die Betreuung entsprechend vieler Bachelor- oder Masterarbeiten, durch Drittmitteleinwerbung oder durch Publikationen in Fachzeitschriften Zulagen erhalten.
Mit der Funktionsleistungszulage können Professoren* darüber hinaus Ämter und Aufgaben innerhalb der Hochschule, wie z. B. Dekan oder Studiengangsleiter* übernehmen. Immer mehr gewinnen auch Ämter für Qualität und internationale Belange an Bedeutung. Manche dieser Ämter werden gerne aus Prestige-Gründen übernommen, in anderen Ämtern ist die Bezahlung ausschlaggebend.
Dass ein FH-Professor* zurück in die Industrie wechselt, ist eher selten. Wenn ein FH-Professor* weiter aufsteigen möchte, gibt es professionelle, gut bezahlte Hochschulämter wie z. B. Co-Rektor* oder Rektor* einer Fachhochschule. Diese bringen andere Aufgaben mit sich und beinhalten häufig keine Lehrtätigkeit mehr. Gute Chancen auf diese Ämter hat der FH-Professor*, wenn er sich vorher durch Ämter wie z. B. Studiengangsleiter* oder Ähnliches qualifiziert hat.
Neben zusätzlichen Ämtern innerhalb der Fachhochschule sind Nebentätigkeiten außerhalb der Fachhochschule nicht unüblich. Sie müssen formal vom Dekan genehmigt werden und sind häufig sogar erwünscht, da der FH-Professor* dadurch auf der Höhe der Zeit bleibt. Deswegen sind Zusammenarbeiten mit der Industrie willkommen.
Je nach Fachbereich stehen die FH-Professoren* dabei in der Industrie in einem Angestellten-Verhältnis oder sind sogar selbstständig. Leitende Positionen als erster Geschäftsführer* werden eher selten genehmigt, da der Professor* in erster Linie der Fachhochschule und nicht der Firma verpflichtet sein soll.
Da ein FH-Professor* in der Regel nicht viele Angestellte hat, kümmert er sich um viele administrative Aufgaben selbst. Er wird zu einer Art Klein-Unternehmer, der sich auch mal am Kopierer wiederfinden kann. Im Gegensatz zur Universität werden Klausuren an Fachhochschule meist vom Professor* selbst korrigiert. In Übungen und Vorlesungen trifft man den FH-Professor* noch persönlich an.
Wo gibt es aktuell die meisten Professor Jobs?
Der FH-Professor* kann dabei selbst akquirieren, sich mit Firmeninhabern und Verantwortlichen in verschiedensten Betrieben unterhalten und Verhandlungen führen. Für die beteiligten Unternehmen ist dies häufig sehr attraktiv, weil so ein Ansprechpartner zur Verfügung steht, der die Sprache der Kunden* spricht. Der Tagesablauf gestaltet sich für einen FH-Professor* sehr abwechslungsreich und ist vorher nicht immer planbar.
Die Berufsaussichten für FH-Professoren* sehen sehr gut aus. Stetig wachsende Studentenzahlen und die Tatsache, dass eine ganze Reihe älterer Professoren* bald in Ruhestand gehen, lässt die Zahlen der Ausschreibungen an Fachhochschulen steigen. Besonders weibliche Anwärter* haben bei geeigneter Qualifikation beste Chancen auf eine Berufung. Aufgrund des Bestrebens, die Zahl der Professorinnen an Fachhochschulen zu erhöhen, sind Bewerbungen von Frauen besonders gern gesehen.
Da ein Professor* Spezialist* in seinem Fachbereich ist, kann er natürlich nicht an jeder Fachhochschule eine Anstellung finden. Mobilität ist daher sehr wichtig. Andererseits ist es natürlich auch gewünscht, dass ein FH-Professor* den Kontakt zu seinem Betrieb aufrecht erhält. Wenn ein Kandidat* aber bereit ist umzuziehen, die formalen Voraussetzungen für eine Professur erfüllt und die Professur wirklich möchte, sehen die Chancen einer Berufung aussichtsreich aus. Nach einer Erstberufung hat der FH-Professor* meist eine mehrjährige Probezeit. Danach wird seine Stelle in der Regel entfristet und hält dann ein Professorenamt auf Lebenszeit.
Prof. Dr.-Ing. Andreas Gebhardt
FH Aachen University of Applied Sciences
Dekan im Fachbereich Maschinenbau und Mechatronik