Ratgeber Berufe Anwendungsentwickler Messysteme Erfahrungsbericht
Softwareentwickler arbeitet an einem Code

Anwendungsentwickler* für Messsysteme – Erfahrungsbericht

Dipl.-Biol. Tom Wiegand, MBA
Dipl.-Biol. Tom Wiegand, MBA
Lesedauer: 6 Min.
Aktualisiert am: 02.10.2024

Mein praxisorientiertes Studium der Elektrotechnik (FH) mit Schwerpunkt Automatisierungstechnik in Verbindung mit einem grundlegenden Verständnis von Softwareentwicklung und etwas Programmierpraxis war die ideale Grundlage für meinen jetzigen Beruf. Erst während des Studiums habe ich festgestellt, dass mich der Bereich Softwareentwicklung am meisten interessiert. Nach einer kurzen Phase in einem anderen Unternehmen habe ich dann die Tätigkeit und das Unternehmen gefunden, für das ich nun schon seit vielen Jahren als Anwendungsentwickler für Messsysteme arbeite.

Schwerpunkte

Den Großteil meiner Tätigkeit macht die Softwareentwicklung in der Anwendungsentwicklung für Messsysteme aus. Diese kommen in Walzwerken hauptsächlich der Stahl- und Aluminiumindustrie zum Einsatz. Das sind unter anderem radiometrische Messsysteme, meistens Röntgensysteme, für die Dicken-, Dickenprofil- und Beschichtungsmessung sowie optische Systeme für die Breiten-, Planheits- und Schopfmessung und zur Oberflächeninspektion. Neben der eigentlichen Messaufgabe geht es auch um kundenspezifische Auswertungen, Visualisierung, Produktdatenspeicherung und Kundenschnittstellen. Jeder Kollege hat dabei einen oder mehrere Produktschwerpunkte.

Aufgaben eines Anwendungsentwicklers*

Die tatsächliche Tätigkeit kann von Tag zu Tag in einem sehr unterschiedlichen Maße variieren, denn neben der eigentlichen Softwareentwicklung gibt es viele weitere Tätigkeiten:

  • Fehleranalyse/-behebung und Unterstützung der Kollegen* verschiedener Abteilungen, insbesondere bei der Systemprüfung im Haus, während und nach der Inbetriebnahme bei Kunden*
  • Projektbezogene oder sonstige technische und organisatorische Besprechungen
  • Fachliche Unterstützung von Kollegen* der eigenen Abteilung
  • Technische Beratung von Kunden* in verschiedenen Phasen des Projektverlaufs
  • Kundenbesuche zur Inbetriebnahme
  • Kundenschulungen im Haus oder während der Inbetriebnahmen vor Ort
  • Betreuung von Kundenanfragen zu Systemfunktionen und -bedienung und zur Fehlerbehebung/Problemlösung

Einen typischen Arbeitstag als Anwendungsentwickler* gibt es daher nicht. Die oben genannten Tätigkeiten können mitunter den ganzen Tag oder den großen Teil des Tages füllen. Eine Besonderheit sind zudem gelegentlich weltweite Dienstreisen. Solche Reisen zur Unterstützung der Inbetriebnahme bei Kunden* dauern typischerweise zwei bis drei Wochen.

Gearbeitet wird in unserer Abteilung (Anwendungsentwicklung) überwiegend in einer grafischen Programmierumgebung, mittlerweile nur noch sehr selten in C und C++. In unserer Basisentwicklung hingegen findet die Arbeit in C und C++ sowie weiteren Programmiersprachen statt.

Abwechslung und End-to-End-Verantwortung

An meinem Job gefällt mir vor allem das hohe Maß an Eigenverantwortung und Abwechslung sowie das angenehme Arbeitsklima. Kein Tag ist wie der andere und es können sich schon mal morgens oder während des Tages überraschende Wendungen ergeben. Der Arbeitstag kann sich plötzlich ganz anders gestalten als zunächst geplant.

Zur Jobsuche

Sehr positiv ist auch, dass wir in der Anwendungsentwicklung die eigenen Projekte oft über einen langen Zeitraum begleiten. Von den ersten Abstimmungen mit den Kunden* und im Projektteam über die eigentliche Softwareentwicklung und Systemprüfung bis hin zur Inbetriebnahme und Kundenbetreuung bin ich involviert. Zeiträume von bis zu einem Jahr sind hier typisch, es gibt aber auch Projekte, deren Bearbeitung und Betreuung sich über eine deutlich längere Zeit erstreckt. Wichtig ist mir persönlich auch der direkte Kundenkontakt in einem internationalen Umfeld und die gelegentlichen weltweiten Reisen.

Anwendungsentwickler* auf Weltreise

Weltweit reisen heißt, dass sich die Reisetätigkeit sowohl in der näheren Umgebung als auch an „exotischen“ Zielen abspielen kann. Während der Reisen verändert sich alles: Man tauscht den komfortablen und technisch gut ausgestatteten Büroarbeitsplatz gegen einen meist sehr einfachen Arbeitsplatz ein. Die neue Arbeitsumgebung gestaltet sich dann häufig ganz so, wie es im Walzwerk in unmittelbarer Nähe zur Produktion eben zu erwarten ist. Tisch und Stuhl müssen vom Kunden* häufig erst einmal organisiert werden, in einem Fall musste ich mit einer zum Tisch umfunktionierten Kabeltrommel vorliebnehmen. Improvisation ist gefragt!

Bei Kundenbesuchen bin ich in der Regel nicht alleine und im Notfall gibt es Unterstützung von den Kollegen* in Deutschland. Trotzdem ist das Maß an Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit bei der Arbeit auf Reisen naturgemäß besonders hoch. Das bedeutet auch, dass diese Phasen in besonderem Maße fordernd sein können.

Bei mir persönlich hat sich die Reisehäufigkeit über die Jahre allerdings deutlich verringert, da der Anteil an allgemeinen Aufgaben in der Abteilung zugenommen hat.

Kommunikation und Kontakte

Kommunikation gehört zum Arbeitsalltag, sowohl innerhalb der Abteilung als auch abteilungsübergreifend. Hier sind Besprechungen, E-Mail- und telefonische Korrespondenz sowie die unmittelbare Zusammenarbeit am System zu nennen. Dies gilt besonders für die Systemprüfung im Haus und bei der Inbetriebnahme beim Kunden. Zumeist arbeitet man hier mit Ingenieuren* oder Technikern* aus dem Bereich Elektrotechnik zusammen, teils auch aus dem Bereich Maschinenbau.

Während der Kundenbesuche ergeben sich vielfältige Kontakte zum dortigen Personal; teilweise erfolgen die Einsätze auch zusammen mit Kollegen* unserer Service-Niederlassungen. Hier wird es besonders im außereuropäischen Ausland interessant (Schwerpunkte hier: Ostasien, Nordamerika, Indien, Brasilien und Südafrika), da sich neben dem fachlichen Austausch die Gelegenheit bietet, Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen kennenzulernen.

Zum Gehaltscheck

Welche Entwicklungsmöglichkeiten und Spezialisierung gibt es für Anwendungsentwickler*?

Klassische Aufstiegsmöglichkeiten als Anwendungsentwickler* gibt es, doch ist die Anzahl der Teamleiter- oder Bereichsleiterstellen naturgemäß begrenzt, verstärkt noch durch den Umstand, dass die Hierarchien bei uns insgesamt flach sind.

Bezüglich Weiterentwicklung oder Spezialisierung kann abhängig von Qualifikation und Interesse im Laufe der Jahre die Komplexität der Systeme zunehmen. Darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit:

  • An grundlegenden Neu- und Weiterentwicklungen zu arbeiten, teilweise in Zusammenarbeit mit unserer Basisentwicklung
  • Bei der Betreuung und Weiterentwicklung von Basismodulen und -projekten mitzuwirken
  • Übergeordnete Abteilungsaufgaben zu übernehmen, z. B. bei der Qualitätssicherung

Was muss ein Anwendungsentwickler* für Messsysteme mitbringen?

Wer das Berufsbild des Anwendungsentwicklers* anstrebt, sollte in jedem Fall Freude und Interesse am Umgang mit Technik mitbringen, natürlich auch an der Softwareentwicklung. Den Anteil der im Studium erworbenen Kenntnisse, den ich später anwenden konnte, halte ich bei mir für relativ hoch, insbesondere in den Bereichen Softwareentwicklung / Programmierung, Digitaltechnik, Mikroprozessortechnik und Messtechnik / Messsysteme. Die Anforderungen bei der Arbeit in einer grafischen Programmierumgebung sind sicherlich nicht vergleichbar mit denen in der textbasierten Softwareentwicklung. Ich habe im Laufe meiner Tätigkeit als Anwendungsentwickler beides kennengelernt.

Vieles ist auch für Nicht-Softwarespezialisten* mit etwas Übung zu verstehen und zu programmieren. Wenn allerdings eine komplexe Funktionalität zu entwickeln ist oder ein Problem in einer komplexen Funktion oder Gemengelage untersucht werden muss, sind spätestens dann analytisches Denken, fundierte Kenntnisse der Materie und auch Erfahrung gefragt. Häufig verursachen Umgebungseinflüsse, Produktionsbedingungen oder Hardwarefehler die Probleme. In diesen Fällen geht es um mehr als die reine Software-Fehleranalyse. Wichtig sind zudem Teamfähigkeit und Freude am Umgang mit Kunden, mitunter über kulturelle Grenzen hinweg.

Erfolgsfaktoren für Anwendungsentwickler* im Bereich Messsysteme

  • Studium der Elektrotechnik, Informationstechnik oder Automatisierungstechnik
  • Kenntnisse in den Bereichen Softwareentwicklung, Digitaltechnik und Messtechnik
  • Teamfähigkeit
  • Kommunikationsstärke
  • Analytisches Denken
Dipl.-Biol. Tom Wiegand, MBA

Dipl.-Biol. Tom Wiegand, MBA

Tom Wiegand ist MBA und Neurobiologe mit interdisziplinärem wissenschaftlichen Hintergrund zwischen Naturwissenschaft und Informatik. Er ist als Geschäftsführer Teil des Managements von jobvector und nutzt seine Erfahrung in Vorträgen und als Autor für Jobsuche & Karriere sowie Tech-Personalbeschaffung.
Weniger anzeigen